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Wie werden supermassereiche Schwarze Löcher aktiv?

13.07.2011 —

Eine aktuelle Studie wirft neues Licht auf die Aktivität der massereichen Schwarzen Löcher im Zentrum von Galaxien. Demnach wird der Übergang von einem ruhenden zu einem aktiven Schwarzen Loch – anders als bislang vermutet – nicht durch Galaxienverschmelzungen ausgelöst. Das ist das Ergebnis einer Forschungsarbeit unter der Leitung des Exzellenzclusters Universe an der Technischen Universität München. Die Studie beruht auf Daten des Very Large Telescope der ESO und des Röntgensatelliten XMM-Newton der europäischen Weltraumagentur ESA. Die Arbeit erscheint in der Juli-Ausgabe des Astrophysical Journal.

Im Herzen der meisten, wenn nicht sogar aller großen Galaxien, lauert ein supermassereiches Schwarzes Loch mit einer Masse, die Millionen oder sogar Milliarden Mal größer ist als die unserer Sonne. In vielen Galaxien wie auch in unserer Milchstraße befindet sich das Schwarze Loch einem Zustand der Ruhe. Allerdings gibt es auch Kandidaten, die enorme Mengen an Materie verschlingen. Diese Schwarzen Löcher sind insbesondere in Galaxien zu finden, die früh im Universum entstanden sind [1]. Wenn die Materie ins in das Schwarze Loch stürzt, sendet sie eine intensive Strahlung aus. So wird aus einem Schwarzen Loch ein so genannter aktiver Galaxienkern (englisch Active Galactic Nucleus, abgekürzt AGN).

Wie das Material, das die Aktivität auslöst und die gewaltigen Ausbrüche in den Zentren der Galaxien verursacht, in die Nähe des Schwarzen Lochs gerät, ist noch ungeklärt. Bisher vermuteten Astronomen, dass AGN aktiviert werden, wenn die regulären Bahnen der Materie in Galaxien durch eine Verschmelzung oder einen Beinahe-Zusammenstoß zweier Galaxien gestört werden, und damit neue Materie in Richtung des Schwarzen Loches fällt. Die hier vorgestellte Untersuchung weist darauf hin, dass dies auf viele aktive Galaxien nicht zutreffen dürfte.

Viola Allevato vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und dem Exzellenzcluster Universe in Garching hat zusammen mit einem aus Mitgliedern der COSMOS-Kollaboration bestehenden, internationalen Wissenschaftlerteam mehr als 600 aktive Galaxien untersucht, die sich im COSMOS-Feld [2] befinden, einem besonders gut untersuchten Gebiet des Himmels. Genau wie sie erwartet hatten, stellten die Wissenschaftler fest, dass die meisten aktiven Galaxien während der vergangenen 11 Milliarden Jahre mäßig hell leuchteten, während extrem leuchtkräftige aktive Galaxienkerne eher selten waren. Zu ihrer Überraschung stellten die Astronomen allerdings auch fest, dass die überwiegende Mehrheit dieser häufigeren und weniger hellen AGN nicht durch Galaxienverschmelzungen aktiviert wurden.

Ein aktiver Galaxienkern verrät sich durch Röntgenstrahlung, die aus der Umgebung des Schwarzen Loches stammt und vom Satelliten XMM-Newton nachgewiesen werden kann. Die auf diese Weise herausgefilterten Galaxien wurden anschließend mit dem Very Large Telescope beobachtet, um ihre Entfernung zu bestimmen. Die Kombination beider Beobachtungsverfahren ermöglichte es dem Team, eine dreidimensionale Karte der Positionen der aktiven Galaxien zu erstellen.

Die Astronomen untersuchten anhand dieser Karte die Verteilung der aktiven Galaxien und verglichen sie mit theoretischen Vorhersagen. Ebenso waren sie in der Lage festzustellen, wie sich diese Verteilung über den Zeitraum von vor etwa 11 Milliarden Jahren bis in die Gegenwart veränderte.

Dabei zeigte sich, dass die meisten aktiven Kerne in großen Galaxien zu finden sind, die einen hohen Anteil an Dunkler Materie enthalten. Das war eine Überraschung und steht im Widerspruch zu theoretischen Vorhersagen: Wenn die Mehrzahl der aktiven Kerne durch Kollisionen und Verschmelzungen von Galaxien entstünden, wäre zu erwarten, dass sie sich bevorzugt in Galaxien mittlerer Masse (mit etwa einer Billion Sonnenmassen) befinden. Das Team fand dagegen heraus, dass sich die meisten aktiven Kerne in Galaxien befinden, deren Masse rund zwanzigmal größer war als von der Theorie der Galaxienverschmelzungen vorhergesagt.

Diese Ergebnisse eröffnen uns einen völlig neuen Blick darauf, was den Aktivitätsschub supermassereicher Schwarze Löcher auslöst“ sagt Viola Allevato, die Erstautorin des Fachartikels, in dem die Ergebnisse der Studie beschrieben werden. “Offenbar erhalten Schwarze Löcher ihre ‚Nahrung’ in den meisten Fällen durch Vorgänge innerhalb der Galaxie selbst, zum Beispiel durch Scheibeninstabilitäten oder durch die rasche Bildung vieler neuer Sterne, nicht aber durch Kollisionen mit anderen Galaxien.“ 

Alexis Finoguenov, der die Arbeit betreut hat, schließt: “Sogar in der fernen Vergangenheit, vor fast 11 Milliarden Jahren, waren Kollisionen zwischen Galaxien nur in wenigen Prozent der Fälle der Auslöser für die Aktivität der mittelhellen Galaxienkerne. Die Ergebnisse sind umso überraschender, da zu dieser Zeit die Galaxien viel näher zusammen standen Galaxienverschmelzungen daher häufiger gewesen sein dürften als in der jüngeren Vergangenheit.”

 

Endnoten

[1] Am häufigsten sind extrem helle aktive Galaxienkerne rund drei bis vier Milliarden Jahre nach dem Urknall. Weniger helle Objekte findet man dagegen etwa acht Milliarden Jahre nach dem Urknall am häufigsten.

[2] Das COSMOS-Feld bedeckt eine Fläche am Himmel im Sternbild Sextans (der Sextant) die etwa zehn Vollmonden entspricht. Das Feld wurde mit einer Vielzahl von Teleskopen bei verschiedenen Wellenlängen beobachtet, so dass eine ganze Reihe von Studien von diesem Datenschatz profitieren kann.

 

Weitere Informationen

Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse von Allevato et al. erscheinen im Juli 2011 unter dem Titel “The XMM-Newton Wide field survey in the COSMOS field: redshift evolution of AGN bias and subdominant role of mergers in triggering moderate luminosity AGN at redshift up to 2.2 ” in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.

Die beteiligten Wissenschaftler sind V. Allevato (Max-Planck-Institut für Plasmaphysik [IPP] und Excellence Cluster Universe, Garching), A. Finoguenov (Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik [MPE], Garching und University of Maryland, Baltimore, USA), N. Cappelluti (INAF-Osservatorio Astronomico de Bologna [INAF-OA], Italien und University of Maryland, Baltimore, USA), T.Miyaji (Universidad Nacional Autonoma de Mexico, Ensenada, Mexico und University of California at San Diego, USA), G. Hasinger (IPP), M. Salvato (IPP und Excellence Cluster Universe), M. Brusa (MPE), R. Gilli (INAF-OA), G. Zamorani (INAF-OA), F. Shankar (Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching), J. B. James (University of California at Berkeley, USA and University of Copenhagen, Denmark), H. J. McCracken (Observatoire de Paris, Frankreich), A. Bongiorno (MPE), A. Merloni (Excellence Cluster Universe, Garching und MPE), J. A. Peacock (University of California at Berkeley, USA), J. Silverman (University of Tokyo, Japan) und A. Comastri (INAF-OA).

 

Links

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Kontaktinformationen

Viola Allevato
Max-Planck-Institut für Plasmaphysik; Excellence Cluster Universe
Garching, Germany
Tel: +49 89 3299 1558
E-Mail: viola.allevato@ipp.mpg.de

Dr. Alexis Finoguenov
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
Garching, Germany
Tel: +49 89 30000 3644
E-Mail: alexis@mpe.mpg.de

Richard Hook
ESO, La Silla, Paranal, E-ELT and Survey Telescopes Public Information Officer
Garching bei München, Germany
Tel: +49 89 3200 6655
E-Mail: rhook@eso.org

 

Dieser Text basiert auf der ESO-Pressemitteilung eso1124.

 

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