Sternexplosionen brauchen zweiten Anlauf
02.02.2009 —
Astrophysiker haben inzwischen ein recht genaues Bild von den Abläufen bei einer Sternexplosion. Allerdings rätseln die Wissenschaftler seit etlichen Jahren an der Frage, wie der Energietransport beim „Sternenknall“ genau funktioniert. In einer aktuellen Forschungsarbeit liefern Wissenschaftler vom Exzellenzcluster ‚Universe’ an der TU München jetzt neue Erkenntnisse. Da nahe Supernovae sehr selten und daher kaum „live“ zu beobachten sind, simulieren Andreas Marek und Hans-Thomas Janka, beide am Max-Planck-Institut für Astrophysik, die Prozesse in einem Computermodell. Dabei gelang es zum ersten Mal, die Wechselwirkungen von Neutrinos und Materie bei Sternen mit 11- bis 15-facher Sonnenmasse mit hoher Genauigkeit nachzubilden – ein Projekt, das insgesamt bislang über zehn Millionen Prozessorstunden an mehreren Höchstleistungsrechnern in Anspruch genommen hat. Die wissenschaftliche Arbeit wird demnächst in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal (20. März 2009, v694) veröffentlicht.
Sterne sind die chemischen Fabriken des Weltalls. Unter unvorstellbarem Druck und extrem hohen Temperaturen verschmelzen im Sterninnern Wasserstoffatome zu Helium. Bei geeigneten Bedingungen läuft die Verbrennungskette weiter: Vereinfacht gesagt entsteht dann aus der Fusion von Heliumatomen das schwerere Element Kohlenstoff, das seinerseits Sauerstoff produziert. Massereiche Sterne, deren Masse mindestens das Achtfache unserer Sonne beträgt, führen die Verbrennungsprozesse im Kern bis zu noch schwereren Elementen fort; Sterne mit mehr als zehnfacher Masse der Sonne sogar bis zum Element Eisen. Dafür gestaltet sich das Ende von schweren Sternen im Vergleich zu ihren leichten Kollegen ungleich dramatischer – nach maximal 100 Millionen Jahren Lebenszeit beschließen sie ihr Dasein mit einer gewaltigen Supernova-Explosion.
Als gesichert gilt, dass massereiche Sterne zunächst implodieren. In seinem fortgeschrittenen Stadium gleicht der Stern einer Zwiebel: In seiner Mitte befindet sich ein stabiler Eisenkern, in den umgebenden Schalen die leichteren Elemente bis zum Wasserstoff. Mit der Produktion von Eisen stoppen die Verbrennungsprozesse, die den Stern bisher im Kräftegleichgewicht gehalten haben. Der Grund: Um Eisenatome zu verschmelzen müsste von außen Energie zugeführt werden. So wird der Stern zum Spielball der Gravitation und kollabiert. Dabei presst die Schwerkraft den Kern immer weiter zusammen, bis sich sogar die Struktur der Eisenatome auflöst: Die Elektronen verschmelzen mit den Protonen, so dass ein Neutronenstern und eine große Menge Neutrinos entstehen.
Beim Kollaps stürzt die Materie der äußeren Sternschichten auf den zentralen Neutronenkern. Durch den Aufprall auf den kompakten Kern bildet sich eine Stoßfront und beginnt im kollabierenden Stern nach außen zu laufen. Dabei heizt der intensive Neutrinostrom aus dem entstehenden Neutronenstern die Materie hinter der Stoßwelle und schiebt sie kräftig an, so dass die äußeren Sternschichten weggeschleudert werden und der Stern in einer gigantischen Supernovaexplosion zerbirst. Zurück bleibt ein etwa 20 Kilometer kleiner Neutronenstern oder in extremen Fällen ein Schwarzes Loch. So plausibel das bisherige Modell auch klingt – es funktioniert nur für Sterne bis zu etwa zehn Sonnenmassen. Bei schwereren Sternen birgt die Erklärung eine Schwachstelle: In Computerberechnungen kommt die von der Neutrinoheizung befeuerte Explosion nach etwa 100 Kilometern zum Stillstand. Grund dafür ist das dichte Material im Kern, das die Neutrinos abbremst. Zudem stürzen in der Frühphase der Supernova auch noch Trümmer der Sternhülle ins Zentrum und behindern die Ausbreitung der Stoßwelle. Beobachtungen von Supernovae und Supernova-Überresten zeigen jedoch, dass die Stoßfront bei einem Radius von 100 Millionen Kilometern erfolgreich die Sternoberfläche erreicht und dabei die Sternhülle wegsprengen muss. Somit ist klar, dass die Explosion einen zweiten Anlauf braucht. Aber was spielt sich ab und was bringt die notwendige Energie?
Mit ihren Simulationen von Sternen mit 11- bis 15-facher Masse der Sonne bestätigten die Wissenschaftler jetzt eine schon länger bekannte Hypothese. Auch bei solch massereichen Sternen kann die Explosion durch Neutrinos angetriebenen werden. Anders als bei kleineren Sternen liefern hier jedoch hydrodynamische Instabilitäten den entscheidenden Impuls. Die von den Neutrinos aufgeheizten Sternschichten werden durch konvektive Strömungen verwirbelt, ähnlich wie kochender Brei in einem Topf. Dabei entwickelt die Materie pilzförmige Blasen, in denen heißes Plasma aufsteigt. Ausschlaggebend ist jedoch ein Phänomen, das in der Fachsprache mit „Standing Accretion Shock Instability“, kurz SASI, bezeichnet wird und das in früheren Modellen nicht berücksichtigt wurde. Es sorgt dafür, dass die Stoßfront zunehmend heftiger hin und her oszilliert und so immer weiter „ausbeult“. Dadurch wird die Stoßwelle zu immer größeren Distanzen vorangetrieben und die Konvektion verstärkt sich. Infolgedessen setzt ein dritter Effekt ein: Im SASI-Modell ist die Materie den hochenergetischen Neutrinos länger ausgesetzt, was einen deutlich höheren Energietransfer ermöglicht.
„Unsere Untersuchungen an zweidimensionalen Computermodellen bedeuten einen wichtigen Fortschritt im Verständnis, wie massereiche Sterne ab zehn Sonnenmassen explodieren“, erklärt Hans-Thomas Janka. „Möglicherweise gibt es noch andere Phänomene, welche die durch Neutrinos und hydrodynamische Instabilitäten ausgelöste Explosion verstärken. So könnte z.B., wie eine Konkurrenzgruppe behauptet, die SASI große Pulsationsschwingungen des jungen Neutronensterns anregen, der dann wie eine Glocke Schallwellen erzeugen würde. Die Energie dieser Schallwellen könnte die Explosion zusätzlich anschieben. Künftig werden wir uns in unseren Simulationsrechnungen daher auf kombinierte Wirkmechanismen konzentrieren."
Gleichzeitig weist Janka darauf hin, dass die aktuellen, erfolgreichen Simulationen zwar ein wichtiges Teil des Puzzles sind. Für das ganze Bild fehlten aber noch eine Menge Informationen. „Bis wir das Problem der Supernova-Explosion zufrieden stellend gelöst haben, vergehen sicher noch ein paar Jahre. Außerdem steht uns noch die Aufgabe bevor, unsere 2D-Simulationen in ein dreidimensionales Computermodell zu übertragen: Die Physik des Neutrino-gesteuerten Energietransports ist so komplex, dass 3D-Simulationen selbst Höchstleistungsrechner an ihre Grenzen bringen."
Kontakt:
Dr. Hans-Thomas Janka, Max-Planck-Institut für Astrophysik, Tel: +49.89.30000-2228
Weitere Informationen:
Barbara Wankerl, Public Outreach Coordinator, Excellence Cluster Universe, Tel: +49.89.35831-7105
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