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Erste Beweise für Quelle extragalaktischer Teilchen

12.07.2018 —

Zum ersten Mal ist es gelungen, die kosmische Herkunft höchstenergetischer Neutrinos zu bestimmen. Eine Forschungsgruppe um IceCube-Wissenschaftlerin Elisa Resconi, Sprecherin des Sonderforschungsbereichs SFB1258 an der Technischen Universität München (TUM) und Forscherin am Exzellenzcluster Universe, liefert ein wichtiges Indiz in der Beweiskette, dass die vom Neutrino-Teleskop IceCube am Südpol detektierten Teilchen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Galaxie in vier Milliarden Lichtjahren Entfernung stammen.

Um andere Ursprünge mit Gewissheit auszuschließen, untersuchte das Team um die Neutrino-Physikerin Elisa Resconi von der TU München und den Astronom und Blazar-Experten Paolo Padovani von der Europäischen Südsternwarte (ESO) eine 1,33 Grad große Himmelsregion um die Position, aus deren Richtung am 22. September 2017 ein hochenergetisches Neutrino in den IceCube-Detektor eingeschlagen war.

Als Quelle dieses Neutrinos hatte eine internationale Kooperation, an der auch Resconi beteiligt ist, einen Blazar mit der Katalognummer TXS 0506+056 ausgemacht, das ist eine aktive Galaxie, deren Jet hochenergetischer Teilchen direkt in Richtung Erde zeigt. „Es ist eines der hellsten und eigentümlichsten Objekte, das jemals beobachtet wurde“, sagt Elisa Resconi.

Viele Konkurrenzobjekte im „Open Universe“

Die Forschergruppe um Resconi und Padovani nutzte für ihre Arbeit erstmals die frei zugänglichen Archiv-Daten von „Open Universe“, einer Initiative unter der Schirmherrschaft des Büros der Vereinten Nationen für Weltraumfragen, die von Paolo Giommi, Hans-Fischer-Senior-Fellow am TUM Institute for Advanced Study, ins Leben gerufen wurde.

Mit einer speziell hierfür entwickelten Software durchkämmten sie die Daten von zahlreichen Teleskopen und charakterisierten die Signale. Tatsächlich fanden sie zunächst 637 Objekte, darunter auch sieben Blazar-artige, von denen das IceCube-Neutrino stammen könnte. Anschließend nahmen sie diese genauer unter die Lupe.

TUM-Team liefert entscheidenden Beitrag

Nach sorgfältiger Analyse blieb nur noch ein Konkurrenz-Blazar übrig. Dieser war dem Team insbesondere für den Zeitraum von September 2014 bis März 2015 als starke Quelle hochenergetischer Gamma-Strahlung aufgefallen. In dieser Zeit hatte IceCube weitere Neutrinos aus Richtung TXS 0506+056 detektiert, wie eine nachträgliche Untersuchung aller bisherigen IceCube-Neutrinos seit 2008 offenbart hatte.

„Wir konnten aber schließlich zeigen, dass das Strahlungsprofil von TXS 0506+056 perfekt zu den Energien der Neutrinos passt, so dass wir alle anderen Quellen und insbesondere den Hauptkonkurrenten ausschließen konnten“, sagt Paolo Padovani.

Neutrinos sind einzigartige kosmische Boten

Resconi, Padovani und Giommi waren im Jahr 2017 die ersten Wissenschaftler, die eine Beziehung zwischen hochenergetischen IceCube-Neutrinos und Blazaren herzustellen versuchten. „Nun können wir einen entscheidenden Beitrag zum Nachweis liefern, dass Blazare die Quellen kosmischer Neutrinos sind“, sagt Elisa Resconi.

Das Ende einer mehr als hundert Jahre dauernden Suche nach den Herkunftsorten hochenergetischer kosmischer Teilchen markiert für Elisa Resconi gleichzeitig einen neuen Anfang: „In Zukunft wissen wir nun besser, wonach wir suchen müssen“. Neutrinos sind dabei die einzigen kosmischen Boten, mit denen die höchstenergetischen Phänomene im Universum untersucht werden können.

Die aufwändige Suche nach den flüchtigen Teilchen

Neutrinos sind jedoch extrem flüchtige Teilchen. Da sie kaum mit anderer Materie wechselwirken, passieren sie praktisch jede Art von Materie ungehindert. Der IceCube-Detektor im Südpol-Eis ist daher mit einem Volumen von einem Kubikkilometer zwar der größte Detektor weltweit, aber immer noch zu klein: Seit 2013 sind bisher nur 82 höchstenergetische Neutrinos in das IceCube-Eis eingeschlagen.

Daher arbeitet Elisa Resconi am Design eines über die Erde verteilten Netzwerks an Neutrino-Teleskopen. Das Ziel: Die Zahl der detektierten Neutrinos so zu erhöhen, dass Wissenschaftler mit ihnen echte Astronomie betreiben können – und in Kombination mit den anderen astronomischen Informationsquellen, elektromagnetischen Wellen und Gravitationswellen, viele bislang noch unverstandene Phänomene des Universums zu erforschen.

Neues Neutrino-Projekt der TUM im Pazifik

Ende Juni hat Resconis TUM-Team außerdem ein ganz neues Projekt erfolgreich auf den Weg gebracht: Im nordöstlichen Pazifik wurden gerade zwei 150 Meter lange Drahtseile mit insgesamt acht Detektoren in 2700 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund befestigt.

„Sollte der Standort geeignet sein, könnte man dank der vorhandenen Infrastruktur darüber nachdenken, wie dort in relativ kurzer Zeit ein komplettes Neutrino-Teleskop installiert werden könnte“, sagt Elisa Resconi. „Ein Neutrino-Teleskop im Pazifik würde IceCube und die nächste Generation von IceCube am Südpol perfekt ergänzen.“

 

Weitere Informationen:

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Forschungsgruppe zwischen Elisa Resconi (TUM) und Paolo Padovani (ESO) wurde initiiert durch den Exzellenzcluster „Ursprung und Struktur des Universums“ (EXC153), finanziert von der DFG.

Das Projekt von Elisa Resconi im nordöstlichen Pazifik wurde durchgeführt in Zusammenarbeit mit Ocean Networks Canada, einer Initiative der University of Victoria, Kanada, und finanziert von der DFG über den Exzellenzcluster Universe und den Sonderforschungsbereich 1258 „Neutrinos und Dunkle Materie in Astro- und Teilchenphysik“, deren Initiatorin und Sprecherin Elisa Resconi ist.

Das Neutrino-Teleskop IceCube wird im Wesentlichen von der National Science Foundation (NSF), USA, finanziert. Betrieben wird es unter der Federführung der University of Wisconsin-Madison.

Zum Bau von IceCube trugen daneben folgende Institutionen bei: der Nationalfonds für wissenschaftliche Forschung (FNRS & FWO), Belgien; das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Deutschland; die Knut-und-Alice-Wallenberg-Stiftung, das Schwedische Polarforschungssekretariat und der Schwedische Forschungsrat, Schweden; das Department of Energy und der Forschungsfonds der University of Wisconsin-Madison, USA.

Im Rahmen der IceCube-Kollaboration arbeiten rund 300 Wissenschaftler aus 49 Institutionen in 12 Ländern zusammen. In Deutschland sind beteiligt: RWTH Aachen, Humboldt-Universität zu Berlin, Ruhr-Universität Bochum, TU Dortmund, Universität Erlangen-Nürnberg, Universität Mainz, Universität Münster, Technische Universität München und Universität Wuppertal. Das Forschungsprogramm von IceCube wird in Deutschland finanziert vom BMBF, der Helmholtz Gesellschaft, der DFG sowie mit weiteren Mitteln der beteiligten Institutionen.


Weitere Bilder und Informationen

 

Kontakt:
Prof. Dr. Elisa Resconi
Technische Universität München
Professur für Experimentalphysik mit kosmischen Teilchen
Sonderforschungsbereich 1258
E-Mail: elisa.resconi@tum.de
Tel.: +49 89 289 12422

Dr. Paolo Padovani
Europäische Südsternwarte
E-Mail: ppadovan@eso.org
Tel.: +49 89 32006478

Dr. Paolo Giommi
Hans Fischer Senior Fellow Technische Universität München
Institute for Advanced Study (IAS)
E-Mail: paolo.giommi@ssdc.asi.it

 

 

 

Neutrino-Observatorium IceCube in der Antarktis (Bild: Emanuel Jacobi/NSF)

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