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Barnard 68 liefert neue Erkenntnisse zur Sternentstehung

07.05.2009 —

Ein grobes Bild davon, wie Sterne im Universum entstehen, haben die Astronomen schon seit Jahrzehnten: Gewaltige interstellare Gaswolken, die die Milchstraße und andere Spiralgalaxien durchwandern, ziehen sich durch die Wirkung ihrer eigenen Schwerkraft mehr und mehr zusammen, bis Dichte und Temperatur an einigen Stellen hoch genug werden, um eine Kernfusion in Gang zu setzen. Hunderte oder tausende von Sternen entstehen so aus einer einzigen riesigen Wolke. So sehr sich diese Vorstellung unter den Astronomen etabliert hat, so viel Unklarheit herrscht dennoch über zahlreiche Details der Sternentstehung.

Der Münchner Astrophysiker Andreas Burkert vom Exzellenzcluster Universe hat nun zusammen mit seinem Kollegen Joao Alves vom spanischen Calar Alto Observatorium neue Erkenntnisse über die finale Kollapsphase einer Molekülwolke gewonnen (Astrophysical Journal, 695:1308-1314, 20. April 2009). Die Forscher fanden heraus, dass die Kollision zweier an sich stabiler Gaswolken für den entscheidenden „Kick“ sorgen könnte, um den endgültigen Kollaps auszulösen.

Eine der nächstgelegenen Sternentstehungsregionen in unserer kosmischen Nachbarschaft ist der Pipe Nebula im Sternbild Schlangenträger, der in Mitteleuropa von Frühjahr bis Herbst zu beobachten ist. Der Nebel stellt einen Komplex zahlreicher so genannter Bok-Globulen dar. Bei ihnen handelt es sich um kugelförmige, kalte Gaswolken, deren Massen im Bereich vom 0,1- bis zum 10-fachen der der Sonne liegen. Seit langem halten Astronomen solche Globulen für die unmittelbaren Vorläufer junger Sterne. Eine von ihnen ist die 400 Lichtjahre entfernte und etwa 0,2 Lichtjahre große Wolke Barnard 68 (B68). Wegen ihrer geringen Distanz zur Erde zieht B68 das Interesse der Astronomen seit langem auf sich. Keine andere Gaswolke wurde bis heute ähnlich intensiv untersucht. Aus der Abschwächung des Infrarot-Lichtes von Sternen, die sich hinter der Wolke verbergen, konnte man in hoher Präzision die Masse und innere Struktur der kompakten Wolke ermitteln. Wie sich herausstellte, fügt sich die Gestalt des zwei Sonnenmassen schweren Objektes exzellent in das gängige Modell einer stabilen Molekülwolke im dynamischen Gleichgewicht, einer so genannten Bonnor-Ebert-Sphäre.

Die Forscher gehen davon aus, dass B68 schon seit mehreren Millionen Jahren stabil ist.  Andererseits deuten die Beobachtungen auch darauf hin, dass die Masse der Globule jenen Schwellenwert übersteigt, oberhalb dessen eine stabile Konstellation nicht möglich ist: je massereicher ein kosmisches Objekt und je konzentrierter seine Materieverteilung, umso ausgeprägter ist im Allgemeinen die Wirkung seiner Eigengravitation. Ihr zufolge sollte B68 in sich zusammenzufallen und einen oder mehrere sonnenähnliche Sterne bilden – im Widerspruch zur vermeintlichen Stabilität der Wolke.

 

Bild 1: Kartierung der Staubdichte in Barnard 68 (Alves et al.)

 

Andreas Burkert und Joao Alves schlagen vor, dass sich B68 tatsächlich in einem sehr frühen Stadium der Instabilität befindet, und gerade erst zu kollabieren beginnt. Die Ursache dafür meinen sie in einer kleinen Struktur im Südosten der Wolke ausgemacht zu haben: Aufnahmen der Wolke zeigen deutlich eine eigenständige, etwa 10-mal leichtere Globule, die offensichtlich dabei ist, mit B 68 zu kollidieren.

 

Um ihre Theorie zu prüfen, haben die beiden Astrophysiker das Szenario nun mit Hilfe eines SGI-ALTIX Supercomputers der Technischen Universität München simuliert. Dazu fütterten sie den Rechner mit den Koordinaten zweier 1 Lichtjahr voneinander entfernten sphärischen Klumpen mit 2 bzw. 0,2 Sonnenmassen und prägten den einzelnen Simulationsteilchen typische Geschwindigkeitsmuster auf, wie sie aus den theoretischen Modellen hervorgehen. Die inneren Strukturen der Objekte passten sie an das natürliche Vorbild von Barnard 68 und seines Nachbarn an. Dann verfolgten sie die Entwicklung des Systems mit Hilfe eines numerischen Algorithmus’, der in zigtausend kleinen Zeitsprüngen die Gasbewegung unter dem Einfluss der Schwerkraft berechnete.

 

Bild 2: Momentaufnahmen der Simulation - eine kleine Globule verschmilzt mit einer großen Gaswolke.

 

Wie zu erwarten, veränderte die kleinere der beiden Globulen  zunächst ihre Gestalt, um nach etwa 1,7 Millionen Jahren „Computerzeit“ mit einer Geschwindigkeit von 370 Metern pro Sekunde in die größere einzudringen. Die interne Struktur des vereinten Systems entsprach in exakter Weise derjenigen der realen Barnard-Wolke. Auch den beobachteten Gas-Strom aus der Globule  in Richtung der irdischen Beobachter, ausgelöst durch den Staudruck der einfallenden Wolke, fanden die Forscher in ihrem Modell. Im weiteren Verlauf der Simulation geriet das vorher stabile System in der Tat aus dem Gleichgewicht, begann zu kollabieren und erzeugte extrem hohe Dichten in seinem Zentrum – die Voraussetzungen für die Bildung eines Sternes scheinen erfüllt.

In mehreren Simulationen dieser Art variierten die Forscher die physikalischen Parameter der Globulen und konnten daraus ableiten, unter welchen Bedingungen die Verschmelzung zweier Gaswolken zum anschließenden Kollaps führt. Stimmen die Berechnungen von Burkert und Alves, wird innerhalb der nächsten 200,000 Jahre ein neuer, sonnenähnlicher Stern in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft aufleuchten, in dessen Umgebung sich auch Planeten bilden könnten. 

Optische Aufnahme von Barnard 68 (oben rechts)

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