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23.07.2015

Über die Ernährungsgewohnheiten von Schwarzen Löchern

Ein riesiges Schwarzes Loch beim Zerreißen und Verschlingen eines großen Sterns entdeckten Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Archivdaten der Himmelsdurchmusterung des „Sloan Digital Sky Survey“ und Daten der XMM-Newton- und Chandra-Röntgenteleskope. Mit einer Masse von 100 Millionen Sonnen ist es das größte schwarze Loch, das bisher bei einem derartigen Vorgang beobachtet wurde. Die Ergebnisse der Studie werden diesen Monat im Journal „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ veröffentlicht. Forscherteam am Max-Planck-Insitut für extraterrestrische Physik wird auch vom Exzellenzcluster Universe unterstützt.

Dr. Andrea Merloni und die Mitglieder seines Teams am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching werteten in Vorbereitung auf eine zukünftige Satellitenmission im Röntgenbereich das riesige Datenarchiv des „Sloan Digital Sky Survey“ (SDSS) aus. Der SDSS durchmustert regelmäßig einen großen Teil des Nachthimmels im optischen Licht und nimmt dabei Millionen Spektren von Galaxien und Schwarzen Löchern auf, für einige Objekte sogar mehrere. Als sich das Team eines dieser Objekte mit mehreren Spektren - mit der Katalognummer SDSS J0159+0033 - genauer ansah, fiel ihnen eine erstaunliche Veränderung auf.

"In der Regel ändern sich Galaxien nur unwesentlich im Laufe des Arbeitsleben eines Astronomen, also auf einer Zeitskala von Jahren oder Jahrzehnten", erklärt Andrea Merloni, "aber dieses Objekt zeigte eine dramatische Veränderung seines Spektrums, genau so, als ob das zentrale Schwarze Loch ein- und wieder ausgeschaltet wurde."

Dies ereignete sich zwischen 1998 und 2005, aber niemandem war dies aufgefallen - bis Ende letzten Jahres, als zwei Gruppen von Wissenschaftlern in Vorbereitung der nächsten, vierten Generation der SDSS-Himmelsdurchmusterung unabhängig voneinander über die Daten stolperten. Zufälligerweise hatten die beiden wichtigen Röntgenobservatorien, XMM-Newton der ESA und Chandra der NASA, zum Zeitpunkt des maximalen Aufleuchtens ebenfalls Bilder dieser Himmelsregion gemacht, und ein zweites Mal etwa zehn Jahre später.

Die hochenergetische Strahlung lieferte den Astronomen einzigartige Informationen, wie das Objekt in unmittelbarer Nähe zum zentralen Schwarzen Loch verändert wird. Gigantische Schwarze Löcher gibt es in den Zentren aller großen Galaxien im Universum. Die meisten Astronomen gehen davon aus, dass sie ihre enorme, heute zu beobachtende Größe vor allem durch die Aufnahme mit interstellarem Gas erreichten. Das Gas wird von der riesigen Anziehungskraft des Schwarzen Lochs verschlungen. Ein solcher Prozess dauert Dutzende bis Hunderte von Millionen Jahren und kann aus einem relativ kleinen Schwarzen Loch, das bei der Explosion eines schweren Sterns erzeugt wird, ein Super-Schwergewicht machen, wie es im Zentrum einer Galaxien sitzt.

Galaxien enthalten auch mehrere Milliarden Sterne. Geraten sie zu nahe an das zentrale Schwarze Loch, können sie durch die extremen Gezeitenkräfte auf spektakuläre Weise zerrissen werden. Überreste des Sterns wirbeln nach und nach in das Schwarze Loch und produzieren riesige Strahlenausbrüche, die einige Monate bis zu einem Jahr lang alle übrigen Sterne der Galaxie überstahlen. Ein solches Ereignis nennt man „Tidal Disruption Flares“ (TDF).

TDFs sind sehr selten, sie ereignen sich in einer Galaxie wie der Milchstraße nur etwa einmal in mehreren Zehntausend Jahren. Andrea Merloni und seinen Mitarbeiter war schnell klar, dass das beobachtete Aufleuchten nahezu perfekt die Erwartungen der theoretischen Modelle erfüllt. Sie stellten auch fest, dass es sich um das größte Schwarze Loch handelte, bei dem die Erscheinung bisher je beobachtet wurde.

Die Wissenschaftler nehmen mit einiger Sicherheit an, dass sich das Schwarze Loch in jüngster Vergangenheit - den letzten Zehntausenden von Jahren - von interstellarem Gas ernährt hat. Dies ist ein wichtiger Hinweis darauf, welchen Speiseplan "Schwarze Löcher" haben.

"Wir hätten dieses einmalige Objekt bereits vor zehn Jahren entdecken können, aber wir wussten nicht, wonach wir suchen müssen. In der Astronomie geschieht es recht häufig, dass wir Fortschritte zufälligen Entdeckungen verdanken. Jetzt haben wir eine bessere Vorstellung davon, wie wir mehr solche Ereignisse finden können; und zukünftige Instrumente werden unsere Reichweite erheblich erweitern."

In weniger als zwei Jahren wird das neue leistungsstarke Röntgenteleskop eROSITA, das derzeit am MPE gebaut wird, auf einem russisch-deutschen Satelliten in die Umlaufbahn gebracht. Es wird den gesamten Himmel mit großer Empfindlichkeit durchmustern, und dabei voraussichtlich Hunderte neuer TDFs entdecken. Auch große optische Teleskope werden derzeit entwickelt und gebaut, um den zeitlich veränderlichen Himmel zu studieren. Diese Beobachtungen werden wesentlich zur Lösung des Rätsels um das Wachstum von Schwarzen Löchern beitragen. Die Astronomen wollen darauf vorbereitet sein, die dramatischen letzten Augenblicke im Leben eines Sterns einzufangen. Aber auch wenn sie bereit sind: der Himmel wird mit immer neuen Überraschungen aufwarten.

Originalpublikation
A. Merloni et al.: "A tidal disruption flare in a massive galaxy? Implications for the fuelling mechanisms of nuclear black holes", MNRAS, 23. Juli 2015
DOI: 10.1093/mnras/stv1095

Momentaufnahme aus einer Computersimulation, in der ein Stern durch ein sehr massereiches Schwarzes Loch zerrissen wird. (Image courtesy of J. Guillochon, Harvard University, and E. Ramirez-Ruiz, University of California at Santa Cruz)


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