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06.10.2015

Nobelpreis für Physik: Gratulation an die Preisträger

Der Exzellenzcluster Universe gratuliert den diesjährigen Nobelpreisträgern in Physik, Takaaki Kajita und Arthur B. McDonalds. Beide sind die jeweiligen Hauptwissenschaftler zweier großer Experimente, Super-Kamiokande in Japan und Sudbury Neutrino Observatory in Kanada, deren Ergebnisse erstmals zeigten, dass Neutrinos Masse besitzen. Doch Neutrinos bergen weitere Rätsel, deren Lösung von großer Bedeutung für die Teilchenphysik ist.

„Wir gratulieren Takaaki Kajita und Arthur B. McDonalds sehr herzlich zu dieser besonderen Auszeichnung“, sagt Stefan Schönert, Professor für experimentelle Astroteilchenphysik an der TU München und Mitglied des Exzellenzclusters Universe. „Der diesjährige Nobelpreis für Physik ehrt eine für die Teilchenphysik fundamentale Entdeckung, die ein lange ungelöstes Neutrino-Problem aufgeklärt hat.“ Das Rätsel begann in den 1960-er Jahren, als Physiker erstmals theoretisch berechneten, wie viele Neutrinos in der Sonne erzeugt werden müssten. Messungen auf der Erde zeigten jedoch stets, dass bis zu zwei Drittel von ihnen fehlten. Doch warum?

Nach dem Standardmodell der Teilchenphysik gibt es drei Arten von Neutrinos: Elektron-, Myon- und Tau-Neutrinos. Jedes Neutrino hat einen geladenen Partner, das Elektron, und die beiden deutlich schwereren und kurzlebigen Partner, das Myon und das Tauon. Die Sonne produziert nur Elektron-Neutrinos. Könnte es sein, dass die Elektron-Neutrinos auf dem Weg zur Erde ihre Identität wechseln und sich in Myon- und Tau-Neutrinos umwandeln?

Diese Hypothese war extrem schwierig zu überprüfen und nur mit Hilfe von riesigen Detektoren möglich. Das Super-Kamiokande-Experiment in Japan, initiiert von dem inzwischen verstorbenen Physiker Yoji Totsuka, begann seinen Betrieb im Jahr 1996 in einer Nickel-Mine rund 1.000 Meter unter der Erde. Der Detektor ist mit 50.000 Tonnen Wasser gefüllt und fing sowohl Myon-Neutrinos ein, die von oben aus der Atmosphäre kamen als auch solche, die erst die gesamte Erdkugel durchquert haben mussten, bevor sie von unten kommend im Detektor Spuren hinterlassen konnten.

Die Erwartung war, dass aus beiden Richtungen gleich viele Neutrinos kommen sollten. Tatsächlich zeigte sich jedoch, dass es mehr Myon-Neutrinos gab, die direkt aus der Atmosphäre im Detektor einschlugen als solche, die durch die Erde gereist waren. Das interpretierten die Wissenschaftler als einen Hinweis darauf, dass die Neutrinos, die länger unterwegs waren, Zeit gehabt hatten ihre Identität zu wechseln, anders als die Neutrinos, die direkt aus der Atmosphäre gekommen waren.

Weil die Anzahl der Elektron-Neutrinos, die aus den verschiedenen Richtungen gekommen waren, wie erwartet war, folgerten die Wissenschaftler daher, dass sich die Myon-Neutrinos in die dritte Sorte Neutrinos umgewandelt hatten, in Tau-Neutrinos. Allerdings konnten diese im Detektor nicht nachgewiesen werden.

Der Nobelpreisträger Takaaki Kajita leitete in der Super-Kamiokande-Kollaboration die Forschungsgruppe "Atmosphärische Neutrinos und Protonzerfall" und spielte auch eine zentrale Rolle bei der Entdeckung der atmosphärischen Neutrino-Anomalie am Vorläuferexperiment Kamiokande.

Das fehlende Puzzle-Stück lieferte das Sudbury Neutrino Observatory (SNO) in Ontario, Kanada, das zur Messung von Sonnen-Neutrinos konzipiert worden war. Das Experiment arbeitete mit 1.000 Tonnen schwerem Wasser und startete im Jahr 1999 mit Arthur B. MacDonalds als Direktor. Es zeigte sich, dass im Detektor nur ein Drittel der zu erwartenden Elektron-Neutrinos beobachtet wurden, zwei Drittel blieben verschwunden.

Zuvor hatte unter der Leitung von Yoichiro Suzuki eine erste Messung des solaren Neutrino-Flusses am Super-Kamiokande-Experiment mittels elastischer Neutrino-Elektron-Streuung stattgefunden. Dieses Setting ist nicht nur für Elektron-Neutrinos empfindlich sondern auch für Myon- und Tau-Neutrinos, wobei allerdings bei diesen beiden der Wirkungsquerschnitt reduziert ist.

Aus der Messung des solaren Neutrino-Flusses der beiden Experimente SNO und Super-Kamiokande ließ sich zeigen, dass die Summe der drei Neutrino-Sorten der zu erwartenden Anzahl der Neutrinos entsprach und somit zweifelsfrei gezeigt war, dass die Neutrinos ihre Identität ändern. In einer Messung, die unabhängig von der Neutrino-Sorte war, konnte am Experiment SNO dieser Identitätswechsel mit noch höherer Signifikanz nachgewiesen werden. Eine solche Umwandlung ist allerdings nur möglich, wenn Neutrinos nicht masselos sind“, erklärt Prof. Dr. Stefan Schönert.

Die Entdeckung, dass Neutrinos Masse besitzen, ist bahnbrechend für die Teilchenphysik: „Denn nach dem Standardmodell der Teilchenpyhsik, das bis dahin alle Eigenschaft von Teilchen perfekt vorhergesagt hatte, haben Neutrinos keine Masse“, erklärt Stefan Schönert. „Durch die Ergebnisse von Kajita und McDonalds hat das Standardmodell jedoch einen großen Riss bekommen.“ An die Entdeckung schließen sich für den Astroteilchenphysiker daher weitere Fragen an: Wie groß sind die Neutrino-Massen? Warum sind Neutrinos so leicht? Gibt es mehr als die drei Arten von Neutrinos, die wir bisher kennen? Sind Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen? Warum unterscheiden sich Neutrinos so stark von anderen Elementarteilchen? „Das sind wichtige Fragen, deren Lösung für die Teilchenphysik von fundamentaler Bedeutung ist“, sagt Stefan Schönert.

Weitere Informationen:
www.e15.ph.tum.de
Experiment Borexino
Experiment Gerda
Faszination Forschung 16: Signals from deep inside the sun

In den Medien:
Geisterjäger im tiefen Fels
Entdecker der Neutrino-Masse ausgezeichnet

Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Schönert
Technische Universität München
James-Franck-Str. 1
85748 Garching
Tel.: 089 289-12511
E-Mail: schoenert@ph.tum.de

Prof. Dr. Lothar Oberauer
Technische Universität München
James-Franck-Str. 1
85748 Garching
Tel.: 089 289-12509
E-Mail: lothar.oberauer@ph.tum.de

 

 

Das Innere des Super-Kamiokande-Detektors in Japan kurz vor Abschluss der Konstruktionsphase 1996 (Photo: Super-Kamiokande).


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