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13.12.2018

„Es ist überraschend, dass Planeten so schnell und zahlreich entstehen“

Ein internationales Team von Astrophysikern untersucht neue Bilder, die das ALMA-Observatorium von planetaren Scheiben aufgenommen hat. „Diese Daten werden den Fachbereich Planetenentstehung für die nächsten Jahre nachhaltig beschäftigen“, sagt Til Birnstiel. Im Interview erklärt der LMU-Physiker und Forscher im Exzellenzcluster Universe, zu welchen neuen Fragen die Aufnahmen führen.

 
Was verraten die neuen Aufnahmen von protoplanetaren Scheiben?

Til Birnstiel: Wie Planeten geboren werden, ist immer noch ein Rätsel. Die Ringstrukturen in den protoplanetaren Scheiben gelten als Hinweise auf die Existenz junger Planeten, aber bei der Frage, wie diese Ringe entstehen, gibt es noch viel zu entdecken. Dabei geht es nicht nur um die Erforschung kleiner Details, wie vielleicht in manchen anderen Gebieten der Physik, sondern um ganz grundsätzliche Mechanismen.

Wir haben nun nicht nur eine, sondern gleich 20 protoplanetare Scheiben untersucht. Anhand dieser großen Datenmengen konnten wir erstmals Statistik betreiben und erfassen, welche Details typisch sind und häufig vorkommen – etwa Ringe – und welche Merkmale selten sind, wie beispielsweise Spiralstrukturen. Scheinbar hat jede Scheibe eine Substruktur. Die Scheiben sind unterschiedlich groß, ihre Masse ist unterschiedlich und sie sind nicht so glatt, wie man sie sich früher vorgestellt hat.

Der Vergleich der Scheiben ermöglicht es auch, zu untersuchen, ob die Position der Ringe mit der Leuchtkraft ihres Heimatsterns variiert. Eine Theorie zur Entstehung der Ringe geht nämlich davon aus, dass sie mit der Verdampfung bestimmter Stoffe in Verbindung stehen könnten. Wir fanden aber keinerlei Zusammenhänge und konnten diese Idee widerlegen – das macht es wahrscheinlicher, dass die Ringe wirklich mit der Entstehung von Planeten zusammenhängen.


Was hat Sie am meisten überrascht?

Til Birnstiel: Dass Planeten anscheinend so schnell und so zahlreich entstehen können, vor allem bei so großen Abständen zum „Heimatstern“. Die gängigen Modelle gehen davon aus, dass Planeten durch die Ansammlung von Staub und Gas in der protoplanetaren Scheibe geboren werden. Die Ringe fungieren dabei als eine Art „Staubfalle“, in der lokale Störungen dafür sorgen, dass kleinere Staubteilchen angehäuft werden, bis das entstehende Gebilde so groß ist, dass die Gravitation greift. Dieser Prozess sollte nach bisherigen Annahmen Millionen von Jahren dauern – und zwar umso länger, je weiter der Ring vom zugehörigen Stern entfernt ist. Die Ringe in unseren Scheiben sind aber nur wenige Millionen Jahre alt und zudem oft sehr weit „draußen“.

Wir haben schon in unserem Planetensystem Probleme, die Entstehung der äußeren Planeten zu beschreiben. In der Astrophysik rechnen wir mit astronomischen Einheiten. Eine astronomische Einheit ist die durchschnittliche Entfernung der Erde von der Sonne. Der äußerste Planet in unserem eigenen Planetensystem ist 30 astronomische Einheiten von der Sonne entfernt. Die Ringe der nun von uns untersuchten Scheiben sind teilweise deutlich weiter von ihrem Stern entfernt, teilweise über 100 astronomische Einheiten. Dennoch spricht unserer Ansicht nach alles dafür, dass dort Planeten sind.

Eine weitere Überraschung war für mich, dass scheinbar alle Ringe denselben Grad an Durchsichtigkeit besitzen. Die protoplanetaren Scheiben sind ja sehr unterschiedlich und man würde erwarten, dass die Teilchengrößen unterschiedlich sind und dass es dichtere und weniger dichte Ringe gibt. Trotzdem nehmen alle auf einer Skala zwischen 0, gleich durchsichtig, und größer eins, gleich undurchsichtig, einen Wert von 0,6 ein. Das spricht dafür, dass ein bisher unbekannter Mechanismus dafür sorgt, dass das so ist.


Was bedeutet das für die Forschung?

Til Birnstiel: Es wäre auf jeden Fall spannend, noch weiter entfernte Scheiben zu untersuchen. Die zu unserem Sonnensysten am nächsten gelegenen Scheiben, die wir jetzt beobachten konnten, sind alle relativ groß und zwischen einer und zehn Millionen Jahre alt. Es wäre interessant zu wissen, ob es in kleineren oder jüngeren Scheiben auch bereits Ringstrukturen gibt. Dann könnte man genauer sagen, ab wann Planeten entstehen. Wenn man das mit dem Kennenlernen von Menschen vergleicht, könnte man sagen, dass wir am Anfang unserer Forschungen nur drei Menschen in unserer Nähe kannten. Jetzt kennen wir alle Menschen der Umgebung, aber die Bevölkerung fernerer Länder, die möglicherweise ganz anders ist, kennen wir noch nicht so gut.

Mehr zur Forschung von Til Birnstiel:

Kontakt:
Professor Til Birnstiel
Ludwig-Maximilians-Universität
Tel.: +49 (0) 89/2180- 6973
E-Mail: til.birnstiel@lmu.de

 

 

Prof. Til Birnstiel (Bild: LMU)


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