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26.01.2017

Der kosmische Blick um die Ecke

Wie schnell dehnt sich das Universum aus? Ein internationales Team von Astronomen hat die Hubble-Konstante neu vermessen. Dabei dienten ihm Galaxien als riesige Gravitationslinsen.

Die Hubble-Konstante ist eine der grundlegenden Größen, die unser Universum beschreiben. Sie gibt an, mit welcher Geschwindigkeit das Universum expandiert. Astronomen der H0LiCOW-Kooperation haben nun das Weltraumteleskop Hubble und weitere Teleskope im All und auf der Erde genutzt, die Hubble-Konstante aus der Beobachtung von fünf Galaxien neu zu bestimmen.  Das Team wird von Dr. Sherry Suyu vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching angeführt, die auch MaxPlanck@TUM Professorin an der Technischen Universität München ist. Zur Gruppe gehört außerdem Dr. Stefan Hilbert von der Ludwig-Maximilians-Universität. Er leitet eine Nachwuchsgruppe  am Exzellenzcluster Universe. Von ihren Messungen berichten die Wissenschaftler im Fachblatt MNRAS.

Die neue Messung ist völlig unabhängig von anderen Messungen der Hubble-Konstante, die sogenannte „Cepheidensterne“ und Supernovae als Referenzpunkte verwendeten. Sie stimmt im Ergebnis aber ausgezeichnet mit ihnen überein. Sie alle beziehen sich auf das lokale Universum, worunter Astronomen das nähere” Umfeld bis in eine Entfernung von rund zehn Milliarden Lichtjahren verstehen. Ein deutlicher Unterschied ergibt sich indes zu dem Wert für die Hubble-Konstante, die sich aus den Daten des Weltraumsatelliten Planck für das frühe Universum ergibt. Planck hat den kosmischen Mikrowellenhintergrund vermessen, die Daten stehen im Einklang mit den akzeptierten theoretischen Modellen des Universums. „Inzwischen ist es möglich, die Expansionsrate des Universums in unterschiedlicher Weise mit einer solch hohen Genauigkeit zu messen, dass dabei auftretende Diskrepanzen möglicherweise auf eine neue Physik hinweisen, die über unsere gegenwärtige Kenntnis des Universums hinausgeht“, erläutert Suyu.

„Unsere Methode ist die einfachste und direkteste Methode, um die Hubble-Konstante zu messen, da sie nur Geometrie und Relativitätstheorie verwendet, keine weiteren Annahmen“, erklärt Stefan Hilbert. Sie nutzt massereiche Galaxien, die zwischen den Beobachtern auf der Erde und sehr entfernten Quasaren, ungeheuer leuchtkräftigen Galaxienkernen, liegen. Das Licht der Quasare wird durch die riesige Masse der Galaxie, die als starke Gravitationslinse wirkt, gebeugt – ein Vorgang, den der Schweizer Astronom Fritz Zwicky bereits vor 80 Jahren vorhersagte. Dies erzeugt mehrere Bilder des Hintergrund-Quasars, aus deren Beobachtung sich ein Wert für die Hubble-Konstante und damit die Expansionsrate im Universum ableiten lässt.

„Die Hubble-Konstante“, sagt MPI-Forscherin Sherry Suyu, „ist für die moderne Astronomie von entscheidender Bedeutung. Sie hilft die Frage zu beantworten, ob unsere Vorstellung des Universums, das danach aus dunkler Energie, dunkler Materie und normaler Materie bestünde, korrekt ist oder ob wir etwas Grundsätzliches übersehen haben.“

Hintergrundinformationen:

Max Planck@TUM-Programm: Für hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bieten TUM und Max-Planck-Gesellschaft (MPG) einen kombinierten Karriereweg: Forschen als Max Planck Forschungsgruppenleiter mit einer Tenure-Track-Professur an der Technischen Universität München. Alle Informationen zur gemeinsamen Berufung durch TUM und MPG finden Sie hier: https://www.tum.de/die-tum/arbeiten-an-der-tum/berufungen/tum-faculty-tenure-track/max-planck-research-group-leaders/

Genutzte Instrumente: Die Studie nutzte neben dem Weltraumteleskop Hubble der NASA/ESA das Keck-Teleskop, das VLT der ESO, das Subaru-Teleskop, das Gemini-Teleskop, das Victor M. Blanco Teleskop, das Canada-France-Hawaii Teleskop sowie das Spitzer-Weltraumteleskop der NASA. Außerdem wurden Daten des Schweizer 1,2-Meter-Leonhard-Euler-Teleskops und des MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskops in Chile verwendet.

Hubble-Konstante: Der vom H0LiCOW-Team bestimmte Wert für die Hubble-Konstante beträgt 71,9±2,7 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec. Wissenschaftler konnten im Jahr 2016 mit dem Hubble Weltraumteleskop einen Wert von 73,24±1,74 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec messen. Der Planck-Satellit bestimmte 2015 die Konstante mit der bisher höchsten Präzision und einem Wert von 66,93±0,62 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec.

Originalpublikation

Diese Studie wurde in einer Reihe von Artikeln veröffentlich, die im Journal MNRAS erscheinen werden:

1. Suyu et al.; H0LiCOW I. Program Overview
Submitted to MNRAS, https://arxiv.org/abs/1607.00017
2. Sluse et al.; H0LiCOW II. Spectroscopic survey and galaxy-group identification of the strong gravitational lens system HE0435-1223
Submitted to MNRAS, https://arxiv.org/abs/1607.00382
3. Rusu et al.; H0LiCOW III. Quantifying the effect of mass along the line of sight to the gravitational lens HE 0435-1223 through weighted galaxy counts
Submitted to MNRAS, https://arxiv.org/abs/1607.01047
4. Wong et al.; H0LiCOW IV. Lens mass model of HE 0435-1223 and blind measurement of its time-delay distance for cosmology
Accepted by MNRAS, https://arxiv.org/abs/1607.01403 – DOI: https://dx.doi.org/10.1093/mnras/stw3006
5. Bonvin et al.; H0LiCOW V. New COSMOGRAIL time delays of HE 0435?1223: H0 to 3.8% precision from strong lensing in a flat ?CDM model
Accepted by MNRAS, https://arxiv.org/abs/1607.01790 – DOI: https://dx.doi.org/10.1093/mnras/stw3077
6. Ding et al.; H0LiCOW VI. Testing the fidelity of lensed quasar host galaxy reconstruction
MNRAS (2016) 465 (4): 4634-4649, https://arxiv.org/abs/1610.08504 – DOI: https://dx.doi.org/10.1093/mnras/stw3078

Kontakt
Dr. Stefan Hilbert
Exzellenzcluster Universe
Ludwig-Maximilians-Universität München
Boltzmannstr. 2
85748 Garching
Tel. +49 89 35831-7148
E-Mail: stefan.hilbert@universe-cluster.de

Prof. Dr. Sherry Suyu
Max-Planck-Institut für Astrophysik
Karl-Schwarzschild-Str. 1
85748 Garching
Tel. +49 89 30000-2015
E-Mail: suyu@mpa-garching.mpg.de

HE0435-1223, in der Mitte des Bildes, gehört zu den fünf besten Gravitationslinsen-Quasaren, die bisher entdeckt wurden. Die Vordergrundgalaxie erzeugt hier vier nahezu gleichmäßig verteilte Bilder des dahinter liegenden Quasars. Bild: Suyu et al. / ESA/Hubble, NASA


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